Samstag, Juli 05, 2008

vis-a-vis

Wir haben uns herrlich geschrieben,
fast täglich mit Klugheit geneckt,
dann wollte er endlich auch sehen,
wer hinter den Worten steckt.

Ich bat mir kurz Bedenkzeit aus,
doch kam ich nicht zum Denken,
ich sagte zu, doch dieses "Ja"
war nur, um nicht zu kränken.

Nun gut, vielleicht wird es ganz schön,
wer witzig schreibt, darf kommen,
ich habe mir, zum Vorbereiten,
drei Tage frei genommen.

Ich scherte mich um Sauberkeit,
um Ordnung und Getränke,
ich putze, räumte, staubte ab,
sogar von innen Schränke

So war ich vollig fix und fertig,
und er stand vor der Tür,
er reichte Blumen, ach wie schön,
samt grünem Umpapier.

Dann saßen wir uns gegenüber,
er wohl im schönsten Hemd,
mir war vor lauter Sauberkeit
die eigene Wohnung fremd.

Da war nichts mehr mit Witzigkeit,
von Klugheit keine Spur.
Ich dachte vor dem Blumenstrauß:
Wann geht er endlich nur?

Wir ahnten, was der andere dachte,
doch keiner sprach es aus:
Wir taugen nicht zum Vis-a-vis,
und dann schmiss ich ihn raus ...

05.07.2008

Ich war die Frau ...

Ich war die Frau für's Kinderkriegen,
die mit ihm spart und baut,
ich weiß, dass Frauen auf ihn fliegen,
doch dass ihn mir mal eine klaut,
das hätt' ich nie gedacht.

Ich war die Frau für's kleine Geld;
was äußerst günstig war:
War halbtags bei ihm angestellt,
doch rundum für ihn da.

Jetzt sind die Kinder aus dem Haus,
und er nun meistens auch.
für's Wochenende zieht er aus
mit Schmetterling im Bauch,

Am Montag ist er wieder hier,
dann schweigen wir uns an,
ich kaufe weiter für ihn Bier,
denn er ist doch mein Mann.

Bezahlt ist unser Haus noch nicht,
das ist es, was ihn hält.
Er sagte, dass ihm mein Gesicht
seit Jahren nicht gefällt.

Ich wär so gerne weiterhin
die Frau an seiner Seite,
ich war wohl nie sein Hauptgewinn,
er will nur noch die zweite.

Ob ich ihn liebe? Schwer zu sagen,
es war halt eine Ehe.
Wer wäscht nun samstags meinen Wagen?
Und was mach ich bei Steuerfragen?
Dass ich hier mal alleine stehe´,
dass hätt' ich nie gedacht.

Melanie Wedemeier-Schippl
05.04.2008

Mensch-ärgere-dich-nicht

Ich spiele mit dem Kind Mensch-ärgere-dich-nicht,
hab ich als Mutter wirklich die Pflicht,
stets huldvoll lächelnd zu verlieren?
Auch ich hab Ehrgeiz, möchte siegen,
will nicht nur immer hinten liegen,
damit das Kind zufrieden ist.

Ich lass mich rücksichtslos hier schlagen,
ab welchem Alter kann ich wagen,
das Spiel ihm wörtlich nah zu legen;
die sechsen auch mal aus zu spielen
wenn sie aus meinem Würfel fielen?
Das Kind gerät so rasch in Zorn!

Nun steh ich vor des Häuschen's Tür,
ich brauche nur noch eine vier,
dann habe ich sogleich gewonnen.
Das Kind blickt wüterich gespannt,
die vier liegt unter meiner Hand,
die ich nicht setzen werde.

Der Würfel fällt, welch Pech, hinunter,
der Wüterich gibt sich nun munter
und lässt erneut mich würfeln.
Gottlob, dort liegt die falsche Zahl -
das Kind setzt noch ein letztes Mal,
und ist, wie immer, Sieger.

16.06.2008

Die Geschichte von meiner Nase

Als ich selbst noch ein Kind war, waren Pippi Langstrumpf und Michel aus Lönneberg sowie all die anderen Kinder, die Astrid Lindgren erfunden hat, unsere Helden. Schon damals, und das ist jetzt mehr als 30 Jahre her, spielten wir Pippis berühmtes "Fußboden nicht berühren" oder Michels "Kekse Kekse huh". Und wenn wir so spielten und tobten, waren wir fast selbst wie die Kinder aus Astrid Lindgrens Geschichten, und wir waren wild und stark und unerschrocken. Wenn uns aber unfreiwillig etwas passierte, waren wir nicht mehr so wie Pippi und Michel, dann waren wir wieder nur wir selbst.

Heute kann ich darüber lachen, aber damals war es für mich ziemlich schrecklich, was mir da widerfahren ist. Wäre das Pippi passiert, sie hätte sich dazu schon eine passende Geschichte ausgedacht, und auch Michel wäre stolz mit seinem Missgeschick durch die Gegend gelaufen und hätte den Leuten irgendeinen Bären aufgebunden. Aber das war eben der Unterschied zwischen mir und den ausgedachten Kindern: Ich war da ein wenig auf den Kopf gefallen.

Es war an einem Sonntag Vormittag, unsere Eltern wollten noch etwas länger schlafen, während meine Schwester Monika und ich schon mit unseren Spielen begannen. Zuerst leise, dann etwas ausgelassener und später ging es dann fast zu wie in der Villa Kunterbunt. Papa erschien leicht verärgert im Wohnzimmer, als wir gerade "Fußboden nicht berühren" spielten, und da man zu der Zeit, als ich noch klein war, nicht mit Kindern diskutierte und verhandelte, sperrte er uns kurzerhand in unser Kinderzimmer ein. Das war uns nicht fremd und eigentlich war es auch gar nicht so schlimm. Bis meine Nase zu laufen anfing. Anfangs nur ein wenig, dann doch immer mehr. Zuerst konnte ich mir noch helfen, indem ich das hochzog, was hinauswollte, aber irgendwann ließ meine Nase sich nicht mehr aufhalten. Ich hätte mir die Nase natürlich im Nachthemd putzen können, aber das hätte meine Mutter sofort gesehen, und das stand bei uns unter höchstem Verbot. Die Gardine mit den Märchenfiguren kam auch nicht in Frage, die fand ich zum Hineinschnäuzen einfach zu schön. Und die Taschentücher lagen unerreichbar im Badezimmer.

Meine Schwester ist drei Jahre älter als ich, und ich unterstelle ihr heute noch, dass sie genau wusste, was sie tat. Sie drückte mir ein Stück Papier in die Hand, auf der ein blauer Polizist abgebildet war, und sagte in einem verdächtig netten Ton: Nimm das doch.
Ich fragte in meiner Not nicht lange nach, vertraute dem Altwissen meiner großen Schwester und putzte mir gründlich mit diesem Stück Papier die Nase, wischte hin und her und rund und herum, und das war gar nicht so einfach, denn das Papier war glatt und glänzend und wollte so gar nicht den Naseninhalt aufnehmen.
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Ich hätte es ahnen müssen, Monika sah mich an, lachte lauthals los und kullerte schließlich vor Vergnügen auf dem Boden. Ich war ahnungslos. Was ist mir mir, fragte ich, aber sie lachte nur und konnte sich gar nicht mehr beruhigen. Sie machte einen solchen Lärm, dass Papa zum zweiten Mal schlaftrunken und missgestimmt vor uns stand. Aber als mein Vater mich sah, lachte auch er. Sagt schon, was habe ich da, fragte ich wieder, aber statt einer Antwort gab es nur Gelächter.

Ein Blick in den Spiegel machte mir den Grund für die allgemeine Erheiterung klar: Ich hatte eine leuchtend-blaue Nase! Das Papier, das mir meine Schwester gegeben hatte, war ein Abziehbild aus einer Kaugummipackung gewesen. Heute nennt man das wohl Tattoo. Und da ich umfassend geputzt und geschmiert habe, hat sich die Farbe von der Folie gelöst und meine Nase gründlich blau eingefärbt. Wie ein poliertes blaues Osterei.

Mama versuchte vergebens, meine Nase in den alten fleischfarbenen Zustand zu schrubben. Sie bearbeitete sie sogar mit der Nagelbürste, bis ich es vor Schmerzen nicht mehr aushielt. So musste ich den Rest des Tages als Blaunase verbringen. Nachmittags war es besonders schlimm. Meine Eltern wollten im Café Winkler einkehren, und ich musste mit. Es war fürchterlich, überall starrten die Leute mich an und grinsten. An dem Tag wünschte ich mir, ich wäre so stark wie Pippi oder so einfallsreich wie Michel gewesen. Dann hätte niemand über mich gelacht. Aber ich war ich, und kein Held meiner Kindheit konnte mir helfen. Und ich hatte nicht einmal ein Sams, um mir die blaue Nase weg zu wünschen.

Kurze Zeit später hatte ich sogar einmal ein blaues Auge. Und daran war meine Schwester auch nicht gerade unschuldig, aber das ist eine andere Geschichte, und die behalte ich für mich.
03.07.2008